Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher vor 1871
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
Konfession (WdK): gemischt konfessionel
- 165 -
Der größte Thor.
Ein leichtsinniger Fürst hatte unter seinen Räthen
einen, mit dem er sehr vertrant umging, und von dem
er sich Manches sagen ließ, das ein anderer nicht zu
sagen wagen durfte. Einst sprach er zu ihm, er möchte
gern wissen, wer der größte Thor wäre, und gab
ihm darauf einen Stock, mit dem Befehle, ihn demjeni-
gen zu geben, den er dafür hielte. — Der Rath nahm
den Stock und behielt ihn lange, ohne ihn abzugeben.
— Etliche Jahre nachher ward der Fürst krank. Sein
Rath besuchte ihn. Da ihm der Fürst sagte, daß er ihn
bald verlassen müßte, so fragte er: „Und wohin
willst Du denn?" — In eine andere Welt, antwor-
tete der Fürst. — „Und wann willst Du wieder-
kommen? Etwa innerhalb vier Wochen?" —
Rein!—„Innerhalb eines Jahres?" — Nein!
„Wenn dann?" — Niemals! — „Und womit hast
Du Dich auf eine so weite Reise und zu Dei-
nem Aufenthalte an dem Orte, wohin Du rei-
sest, versorget?" — Mit nichts! — „Wie, mit
gar nichts?" — versetzte der Rath: — „Da, nimm
meinen Stock!' Bist Du im Begriff, auf ewig
wegzureisen, und hast keine Anstalt gemacht,
noch dafür gesorget, wie Du in der andern
Welt, von der Du niemals zurück kommen
wirst, glücklich und vergnügt leben könnest? —
Da! nimm hin meinen Stab; denn einer sol-
'chen Thorheit macht sich kein Verständiger
schuldig. Du bist der größte Thor, den ich
kenne! Ich habe keinen größer» gefunden,
als Dich!" —
* ;
* *
Herr! lehre Du uns bedenken, daß wir ster-
den müssen, auf daß wir klug werden!
Masrü
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Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
Konfession (WdK): gemischt konfessionel
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digt, die sie aber gleich ihrer Obrigkeit überlieferte, um
auch dies Geld zur Erbauung eines Kothens für sie auf-
zubewahren ; sie sagte aber dabei: „Weil der liebe Gott
mich durch gute Menschen so reichlich segnet, so bitte ich,
mir einen halben Gulden von dem Gelde zu besserer
Pflege meiner armen kranken Eltern zu geben; ich will
cs immer Ehrlich anzeigen, wenn ich zu ihrer Pflege etwas
brauchen werbe."
Verehrungswürdige, fromme Seele! Wie oft wohnt
die größte Tugend in armseligen Hütten!
Der Ostinclische Wilde.
F.
alter katholischer Geistlicher, der sich aus eige-
nen» Berufe nach Ostindien unter die Wilden begeben
hatte, sie besser und glücklicher zu machen, erzählte
folgende Geschichte :
Einst gegen Abend kehrte ich mit, meinen Hausge-
nossen von einem Spatziergange zurück, und wir hörten
an der Oessnung des Waldes Klagetöne; gingen ihnen
nach und fanden unter einem Baume einen W ilden,
der alt und entkräftet auf sein Ende zu warten schien.
Anfangs wollte er nicht mit uns reden. Ach! sagte er
endlich, heute Morgen, als der Himmel roth
wurde, machte ich mich au f uucl h ofi te
nach meiner Heim a th zu kominen. Nun h ab'
ich mich verirrt; cs wird dunkel, ich bin
müde, nun muss ich liier liegen bleiben,
liier werden Schlangen oder wilde Thiere
oder meine Feinde mich in der Nacht um-
bringen. Ach, mein armes Weib und meine
K i i» der!
Uns jammerte seiner. Ich bat ihn, mitzugeben. Aber
Du kennest mich nicht. „Ich brauche Dich nicht
zu kennen," sagte ich, „komm!" und wir führten ihn in
meine Hütte. Nachdem er die nöthige Stärkung zu sich
genommen hatte, bereitete ich ihm ein Lager, dicht an
meinem Bette, so dass wir nur eine dünne leinene Wand
, zwischen
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art]]
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Sammlung: Realienbuecher vor 1871
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
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fest zu schlafen schien. Kunz hatte Mitleiden mit ihm,
und aus Besorgniß, daß er erfrieren möchte, näherte er sich
ihm, uin ihn aus dem Schlafe zu wecken. Aber so viel
er ihn auch rüttelte, so erwachte er doch nicht. Den kannst
Du lange rütteln, rief Klaus lachend, er wird nicht auf-
wachen, er ist betrunken; laß den Kerl liegen, und komm,
es ist kalt. Nein, antwortete Kunz, so unbarmherzig kaun
ich nicht sein ! Wie leicht könnte der arme Mensch erfrieren!
und mag er immerhin betrunken sein, er ist ein Mensch,
und zwar ein hilfsbedürftiger Mensch; ich will thun, was
ich kann, um ihm das Leben zu retten. Nun, so mache,
was Du willst, rief Klaus unwillig, ich mag nicht länger
hier stehen und frieren; und damit ging er weiter. Kunz
bedeckte nun eiligst den Schlafenden mit Schnee, weil er
gehört hatte, daß der Schnee wärme, und lief dann so
schnell als möglich nach dem nächsten Dorfe, nm einen
Wagen zu holen. Glücklicher Weise fand er auch gleich
einen menschenfreundlichen Bauer, der eben aus der Stadt
gefahren kam, und mit dessen Hilfe er den halbtodten
Fremden sehr bald ins Leben brachte. Fröhlich wanderte
er nun nach Hause.
Ein guter Denkspruch ist ein Freund in
der Noth.
33alentin, ein junger Bauer, der gute Sohn eines
bösen Vaters, hatte noch bei Lebzeiten desselben den äußerst
verschuldeten und vernachlässigten Ackerhof übernommen,
um seiner Mutter ein ruhiges Alter zu verschaffen. Der
arme Valentin hatte eine große Last auf sich geladen. Mit
Kummer erwachte er am Morgen, mit Sorgen leg'te er
sich Abends zur Ruhe. Er hatte nicht einmal so viel Geld,
nm Korn zur Aussaat zu kaufen, oder die Bestellung sei-
nes Ackers zu bezahlen. Zwar hatte ein Nachbar aus
Mitteiden sich erboten, ihm einen Theil seines Ackers bis
zur Besäung zu bestellen; aber woher sollte der arme Va-
lentin das Geld nehmen, um Saatkorn zu kaufen? Er
sann 4i
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Extrahierte Personennamen: Kunz Klaus Kunz Klaus Kunz Valentin
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Auflagennummer (WdK): 11
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186
wuschen sich die Hände und das Gesicht und spulten den
' Mund mit frischem Wasser aus. Nun kamen sie wieder
zum Vater, und Hannchcn fragte ungeduldig: Atachst Du
uns nun ein Fest? — Da ist's! rief der Vater und warf
jedem Kinde eine Kappe über den Kopf. Vor den Augen,
der Nase und dem Munde war ein Gitter von Drath,
und der ganze übrige Kopf war mit einem Tuche bedeckt.
' Merkt ihr etwas? sprach Bernhard zu den andern
Kindern, der Vater schneidet gewiß Honig.
Nichtig! sagte der Vater, gefällt Euch dieser Spaß?
O ja! o ja! riefen alle lind folgten dem Vater, der
nun auch eine Kappe über den Kopf nahm und jedem
Kinde etwas zu tragen gab. Bernhard trug eine Pfanne
voll Kohlen, die glühend waren; Karl ein Büschel Wer-
muth; von den Mädchen jedes ein langes Messer; der
Vater selbst trug eine Gölte, und die Mutter folgte mit
einem Siebe und einem, paar Schüsseln nach.
Jetzt kam der ganze Zug tut Garten an, und nun ging
das Fest recht an. Der Vater machte das Hans auf, in
dem die Bienen waren, und trug jeden Stock von seinem
Platze weg! dann nahm er ein Büschel Wermuth, das er
auf die Kohlen gelegt hatte, und ließ den Rauch davon in
den Stock ziehen. Da zogen sich die Bienen zurück, und
der Vater schnitt nun erst Wachs heraus, welches er in
das Sieb legte, dann auch große Stücke Honig. Das
war eine Freude! Nun trug man den Honig in die
Stube; die Kinder folgten, und die Mutter hotte Sem-
meln, auf welche sie Honig für die Kinder streichen wollte.
Auch der Vater ging fort und sagte: Kinder, nun mache
ich Euch noch ein Fest, ich lasse für Euch Honig auf
Semmeln streichen; aber nasche mir niemand!
Kein Kind naschte, außer — Hannchen. Diese war
lüstern, schlich sich an den Tisch, nahm ein Stück Honig
ails der Schüssel und steckte cs in den Mund. Auf ein-
mal schrie sie aber so schrecklich auf, daß cs durch das ganze
Haus schallte. Die Brüder und die Schwestern traten
ängstlich um sie und fragten: Was fehlt Dir, Hannchen?
Vater und Mutter liefen herbei und fragten: Was fehlt
Dir? Aber Hannchen hielt den Mund auf und schrie, als
w mn sic am Spieße stäke. Die Mutter sah in den Mund,
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Extrahierte Personennamen: Bernhard Bernhard Karl Karl Hans
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276
in der besten Erde, und Thiere bei dem besten Futter, ohne
frische Luft, verderben ? Wie könnte der Mensch ohne
frische Luft gedeihen und leben, gesund und froh sein?
Wie sehr freuet Ihr Euch, wenn Ihr lange in der Stube
habt sitzen müssen, und nun auf einmal vor's Thor in
die frische Luft kommet! Nicht wahr, da ist Euch noch
einmal so wohl, als in der dunstigen Stube.
Wollet Ihr wissen, wodurch die Luft verdirbt? Das
sollt Ihr hören. Aber merkt es Euch auch! — Wenn in
einer kleinen Stube viel Menschen bei einander sind, und
besonders darin bei einander schlafen, so verdirbt die Luft.
Was ist nun da zu thun? Man muß Morgens, und be-
sonders des Mittags die Fenster und Thüren auf einige
Minuten öffnen, und die frische Luft von aufiem herein
lassen. Aber thun das wol alle Menschen? Ist es Winter,
oder Herbst, so sagen die Meisten, es wäre sa Schade,
wenn man die schöne Wärme wollte zum Fenster hinaus
gehen lassen! Und im Sommer haben sie wieder andere
Einwendungen. Aber ist es nicht besser, ein wenig zu
frieren, und dabei gesund sein, als warm zu sitzen und
dabei kränklich, schwach und verdrießlich zu werden?
Noch schlimmer ist es, wenn in der Stube, aüsier den
Ausdünstungen der Menschen, auch noch der Dainpf von
Oel-Lampen, Talglichtern oder Lichtschnuppcn, oder vom
Bügeln und vom Plätten der Wäsche, oder vom Woll-
kämmen und von brennenden Holzkohlen die Luft verderbet.
Dann können die Menschen nicht nur krank werden, sondern
sogar ersticken. Ein Windofen ist ein guter Luftreiniger.
Wer in einer Stube schläft, in welcher frische Wäsche
zum. Trocknen aufgehängt ist, setzt sich in die größte Ge-
fahr, plötzlich an einem Schlagsiusse zu sterben, oder
wenigstens unerträgliche Kopfschmerzen und heftigen
Schwindel zu bekommen.
Eben so schädlich sind die Ausdünstungen stark riechen-
der Blumen, und frisch mit Kalk übertünchter, oder mit
Farben angemalter Wände.
In einer ordentlichen und reinlichen Wohnstube sicht
man keine Spinngewebe, nur wenig Fliegen, keinen
Staub, kein Stroh und keinen Unrath, also z. B. keine
Aepfelschaalen, oder Knochen. Die Fenster sind hell
. und
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
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297
sich zu erhalten, in eine Gesellschaft, wie die Bienen, Ameisen
und zuweilen auch die Wölfe. Der Fuchs und der Wolf
verschonen gewöhnlich die nahen Gegenden um ihr Lager,
damit man sie nicht so leicht finde. Viele Vögel, z. E.
die Schwalben, Lerchen, Nachtigallen, Störche fliegen im
Herbst nach wärmern Ländern, wo Gott ihnen gleichsam
den Tisch gedeckt hat. Bei uns wurden sie verhungern
müssen, denn sie nähren sich größtcntheils von Infecten,
Fröschen u. dgl. Diesen weiten Weg hin und her machen
sie ohne Wegweiser; ja die Natur treibt sie selbst zum
Aufbrechen an. Andere Thiere verbergen sich von
ihrem Triebe geleitet, um den Winterschlaf abzuwarten z. E.
die Frösche, viele Infecten in ihren Puppen, die Hamster.—
Gewiß, liebe Kinder, wenn Gott diese Triebe den Thieren
nicht geschenkt hätte, so wären alle schon vernichtet. Leset
das Vorhergehende noch einigemal durch, um Euch lebhaft
davon zu überzeugen, und bewundert den gütigen Gott!
Eben so wunderbar ist aber auch für den verschiedenen
Aufenthalt und für die verschiedene Nahrung ihr Körper
eingerichtet. Der Maulwurf hat einen spitzigen Kopf,
kleine Augen und Nordcrfüße mit Schaufeln — er wühlt
ja in der Erde. Der unterirdische Ban der Maulwürfe ist
mit vielen Gängen durchschnitten, die alle in Verbindung
stehen. Im Winter graben sie sich 5 bis 6 Fuß tief ein.
Ihre eigentliche Wohnung ist ein sehr knnstreiches, rundes
Gewölbe, welches mit Moos, Mist, Stroh, Laub, Gras
und zarten Wurzeln ausgelegt ist. Die Decke ist, nebst
den Scitenwänden, fest zusammengedrückt, und künstlich
geglättet. Unter dem Schnee wühlen sich die Maulwürfe
lange Gänge und graben den Würmern, Erdschnecken und
Wurzeln nach. Die Hamster, welche eine ähnliche unterir-
dische Wohnung anlegen, erstarren zwar im Winter, so
bald Schnee fällt, und bleiben bis znm März in dieser
Erstarrung, sammeln aber doch im Herbste einen großen
Vorrath von Korn, den sie nicht eher angreifen, bis auf
dem Felde gar nichts mehr zu finden ist. Von diesem
Vorrathe nähren sie sich bis zum Winter-schlafe, und beim
Erwachen, weil dann noch nichts für sie auf dem Felde
da ist. —- Das Eichhörnchen hat wie der Hase lange
Hinterfüße und noch überdies wie die Katze scharfe Krallen,
und wie die Affen einen langen Schweif — es soll klet-
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— 303 —
d)cn sehen auf dem Gipfel des höchsten Baumes das
kleinste Jnsect sich bewegen. Die Eulen sehen des Nachts
am schärfsten. Andere Vögel haben einen überaus starken
Geruch, z. V. die Elstern, welche bei hartem Froste
eine unter der Erde verborgene Made riechen.
Die Vorsicht und Klugheit, mit welcher die Vögel
ihre Nester gerade an solchen Orten anlegen, wo sie am
leichtesten ihre Bedürfnisse befriedigen und sich gegen ihre
Feinde schützen können, ist höchst' bewundernswürdig, so
daß man ihnen fast menschliches Nachdenken und verständige
Ueberlegung zutrauen möchte. Eben so vorsichtig wählt
jede Gattung die Ba uma tcrial icn zu ihrem Neste. Die-
jenigen Vögel, welche in heißen Himmelsstrichen, oder an
schattigen Orten nisten, nehmen zu ihrem Bane nur leich-
ten und einfachen Stoff, z. B. Zweige, Wurzeln, Heu,
Stroh, Schilf und Laub. Andere aber nehmen außer
diesen Materialien, noch Lehm, Mist, Moos, Haare,
Wolle n. dgl. nt. Das Weibchen ist gewöhnlich die Ban-
meisterin ; nur bei den Schwalben verstehen sich beide Ge-
schlechter c-ittf das Ncsterbaucn. Die Gestalt der Nester ist
bald mehr, bald weniger künstlich. Manche Vögel, wie
die Schnepfen, Trappen, Kibitze u. a. machen sich bloß
ein einfaches Lager von Reifibvlz und Strohhalmen auf der
platten Erde; andere bereiten sich ein kunstloses Bett in
den Löchern der Mauern, in den Spalten der Berge und
in hohlen Bäumen, z. B. die Spechte, Hehcr, Dohlen,
Wiedehopfe, Sperlinge n. a. Sehr viele, besonders unter
den Hühnern, Tauben und Singvögeln geben ihrem Neste
die Gestalt einer Halbkugel oder einer Schüssel; andere,
wie der Zaunkönig, die Gestalt eines Backofens, noch an-
dere die Form eines Beutels. — Wenn das Nest gebaut
ist, so legt die Mutter ihre Eier hinein. Die Zahl der
Eier ist bei den verschiedenen Gattungen der Vögel sehr
verschieden. Viele Waffcrvögel legen jedesmal nur ein ein-
ziges Ei, die mehrsten Tauben legen zwei, die Mövcn
drei, die Naben vier, die Finken fünf, die Schwalben 6
bis 8 Eier. Rebhühner und Wachteln legen wol vierzehn,
und die Haushühner mehr als 50 Eier, wenn man sie gut
füttert und ihnen die Eier nach und nach wegnimmt.
Nimmt man sie ihnen nicht weg, so bebrüten sie die Eier,
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312
zuletzt kommt noch ein dichter Filz. In dieser Hülle nennt
man die Seidenraupen Kokons. Sie werden in einem
Backofen oder in heißem Wasser getödtet, und dann wird
das Gespinnst abgehaspelt. Einige tobtet man nicht, und
aus diesen bricht etwa nach 3 Wochen ein weißer Schmet-
terling hervor, welcher Eier legt und stirbt. — Die
Bienen gehören ebenfalls zu den Infecten, welche dem
Menschen unmittelbar nützlich sind. Unsere Hauöbienen
Leben in Bienenkörben oder Bienenstöcken; die wilden
leben in hohlen Baumen. In jedem Bienenstöcke findet
man dreierlei Art von Bienen, die äußerlich und innerlich
sehr verschieden sind, nämlich die Königin oder der Weisel,
Arbeitsbienen und Drohnen. Die Königinn hält die ganze
Gesellschaft zusammen, und erhält Ordnung und Thätigkeit
in derselben. Sie allein legt Eier, aus welchen alle übrigen
Bienen entstehen. Die Arbeitsbienen sind kleiner als die
Königinn, und ihrer sind 20 bis 00,000 in jedem Stocke.
Die Drohnen sind männliche Bienen und unter allen
die größten. Es sind über 1600, und sie haben keinen
Stachel. Wenn die Arbeitsbienen eine neue Wohnung be-
reiten wollen, so sammeln sie erstlich eine Art Kütt, den
sie von den klebrigen Knospen abnagen und au ihre Füße
kleben. Damit werden alle Ritzen und Fugen des Stockes
Lis auf die Fluglöcher verstrichen. Daun holen sie Mate-
rialien zum Wachse herbei. Dies ist der Blumeustaub
von unzähligen Blumen und Blüthen. Sie benetzen ihn
und verzehren ihn dann. Erst in ihrem Magen verwandelt
er sich in Wachs; so schwitzen sie ihn wieder zwischen
den Reifen ihres Unterleibes aus und verfertigen davon
die regelmäßigen sechseckigen Zellen. Diese dienen theils
zur Aufbewahrung des Honigs, theils zu Nestern für die
Brut. Die gefüllten Zellen verschließen sie mit einer
'Wachsdecke, damit der flüssige Honig nicht heraus rinne.
Vermittelst ihres kleinen Rüssels sangen sie den süßen
Saft aus den Blumen ein, schlucken ihn hinter und ver-
arbeiten ihn im Honigmagen, der wie eine kleine Blase
aussieht, und worin der Saft zu Honig wird. Den
Honig geben sie durch ihr Maul wieder von sich. Die
Königinn legt in jede Zelle ein Ei, und den ganzen Sommer
hindurch 30 bis 40,000. Zuerst legt sie die Eier, woraus
Arbeitsbienen kommen, dann die zu den Drohnen,
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und endlich noch 10 Eier, woraus Königinnen werden,
in besonders dazu gebauete Zellen. In einigen Tagen
entsteht aus dem Ei eine Made. Diese wird von den Bie-
nen sorgfältig mit einem Brei gefüttert, bis sie sich nach
etwa 8 Lagen einspinnt. Dann verschließen die Bienen
die Zellen mit einem Wachsdeckel. Nach einigen Häu-
tungen ist binnen 14 Tagen das Thierchen eine Biene,
bricht durch den Wachsdeckel hervor, wird mit Honig ge-
füttert und fliegt nach einigen Stunden mit den übrigen
aus. Wenn sich in einem Stocke die Bienen zu sehr ver-
mehrt haben, und besonders, wenn mehrere junge Köni-
ginnen da sind, so wird ein Theil davon aüsgetrieben.
Diese nennt man einen Schwarm. Sie folgen einer Kö-
niginn, hängen sich da, wo sie sich hinsetzt, in einem kegel-
förmigen, dicht zusammengedrängten Haufen an, werden
so in einen leeren Bienenkorb aufgefangen und beginnen
sogleich, sich anzubauen. Sind mehrere Königinnen in
den neuen Stock gekommen, so findet man die überflüs-
sigen am andern Tage getüdtct vor dem Stocke liegen;,
denn nur Eine darf herrschen. Dies Schwärmen geschieht im
Mai und Juni. Im August, wenn die Brutzeit vorbei ist,
fallen die Arbeitsbienen über die Drohnen her und töd-
ten sie. Sobald die Fröste im Spätherbste eintreten,
verfallen die Bienen, wie die meisten Infecten, in den
Winterschlaf, aus dem sie, wenn die Kälte anhält, erst
zu Anfange des Frühlings wieder erwachen.' — Auch die
fleißigen Ameisen gehören zu den geselligen Infecten.
Obgleich die Infecten keine Knochen und Gräten ha-
den, so fallen sie doch nicht zusammen, weil sie mehren-
theils mit einem Harnisch umgeben sind, der ihren wei-
chen Körper beschützt, z. E. die Fliege, die Raupe, der
Käfer. Bewundernswürdig ist die außerordentliche Klein-
heit mancher Infecten, welche nur durch die besten Ver-
größerungsgläser sichtbar werden. In einem einzigen
Tropfen des grünen Schaums, welchen man auf den Tei-
chen zuweilen findet, leben oft mehrere tausend Thierchen,
die darin wie in einem See herumschwimmen. Wie
unbegreiflich klein und zart müssen die Gelenke, die Ner-
ven/ die Augen und andere Theile dieser Thiere sein!
Viele von den Infecten verschaffen den Menschen Nah-
rung, als Bienen, Krebse; manche Kleidung, z. B.? Einige
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— 332
werdet Ihr doch einiges Vergnügen bei dieser Beschrei-
bung empfunden haben; denn es ist angenehm, in der
Natur auf so viele Spuren dcs weisen, gütigen und
mächtigen Gottes zu stoßen. Aber Alles, was Ihr hier
gelesen habt, waren nur todte Buchstaben; weit innige-
res Vergnügen werdet Ihr empfinden, und noch größere
Ehrfurcht wird Euch erfüllen, wenn Ihr in der Natur
selbst zu beobachten sucht. Eine Fliege, eine Milbe,
ein kleines Blättchen zeigt Euch den wunderbarsten Bau ;
seder Stein die wunderbarste Zusammeufügung seiner
einzelnen Theile. Das, was Ihr gelesen habt, soll Euch
also aufmuntern, noch Mehrcres selbst zu beobachten, und
Euch besonders «nf das aufmerksam machen, worauf bei
der Beobachtung der Dinge in der Natur am meisten
Rücksicht zrt nehmen ist.
Eiinges ans der Natnrlehre.
1. Nutzen dieser Kenntniß.
v^s ist gut, wenn man etwas von den Eigenschaften
und Kräften der Dinge weiß, weil man sich alsdann man-
ches mehr erklären kann, was uns sonst ganz dunkel fein
würde. Ein Stein, der vom Tische fallt, fällt nicht so
hart auf die Erde, als ein anderer vom Thurm; eine
F-lintenkugel fährt schnell aus dein Geschoß und durch-
bohrt ein dickes Holz; es regnet und, es entsteheil manche
andere Lufterschemungen, z. B. es schneiet, es donnert.
Wie dies alles zugehe, erfahren wir in der Natnrlehre.
Zugleich sehen wir, wie sich altes in der ganzen Natur
so regelmäßig verhält; wie sich alles nach bestimmten Ge-
setzen, die Gott vorgeschrieben hat, bewege oder sich auf
andere
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht]]